Wednesday, March 30, 2011

20 oder 30 Jahre

Am Anfang war es ein Trost fuer mich: Jeder kennt einen, der mit MS schon 20 oder 30 Jahre sehr gut lebt und zurechtkommt. Jeder Arzt sagt einem, dass man ohne weiteres 20 oder 30 Jahre bla bla bla. Irgendwann wurde ich stutzig. Warum immer diese Zahlen? Immer ausgerechnet 20 bis 30 Jahre? Was ist mit 40? Oder 50? Das habe ich noch nie gehoert. Komisch, gell? Was wirklich meine Alarmglocken laut schlagen laesst, ist, wenn in diesem Zusamenhang von einem Arzt gesagt wird, dass ich ja froh sein kann, dass es bei mir erst mit 51 angefangen hat, weil es doch normalerweise mit Anfang-Mitte 20 bla bla bla.

Auf die Dauer macht es mich stutzig. Dass man das immer wieder so hoert. Von jedem. Froh sein? Gerade vor zwei Tagen hat mein normaler Hausarzt ebenfalls diesen Spruch gebracht. Der kennt mich, und weiss wie aengstlich ich bin. Bei dem war ich, um mir was fuer die Nerven verschreiben zu lassen, um die Warterei auf die Tests etwas ertraeglicher zu machen. Und sogar der, der immer darauf achtet, bei mir keine Panik zu schueren, kommt mit dem Spruch von den 20 oder 30 Jahren und dem froh sein, dass die MS erst in meinem Alter zum Vorschein gekommen ist, und nicht schon viel frueher.

Also meine "Uebersetzung" von dieser Weisheit lautet langsam "Du kannst froh sein, dass du es erst so spaet bekommen hast, denn in deinem Alter ist die Lebenserwartung selbst im besten Fall nicht laenger, als noch 20 oder 30 Jahre, da ist es ja also sowieso bald vorbei."

Entschuldigung, aber meine eine Oma wurde 94!! DAS sind meine Gene, und DAS habe ich mir bisher zum Standard fuer mich gehalten. Nicht 70 oder 80. Das ist heute nicht mehr alt, und bis ich dahin komme, wird es erst recht nicht mehr alt sein. So wie 50 heute das neue 30 ist, wird in 30 Jahren 80 das neue 40 sein.

Und warum hoert man nie von sehr alten Leuten, die mit MS leben? Weil es solche nicht gibt. Die leben naemlich gar nicht lange genug, um RICHTIG alt zu werden. Falls es eine andere Erklaerung gibt, dann bin ich noch nicht darauf gekommen.

Darf ich das alles jetzt verstehen im Sinne von "Wenigstens hat es dir deine jungen Jahre nicht verdorben, und jetzt, in deinem Alter, geht's ja sowieso bergab, da kommt's auch nicht mehr so drauf an."

Das sagen sie zwar nie direkt, aber man merkt trotzdem, wie sie sich bremsen, nachdem sie einem sagen, man kann froh sein, es erst jetzt bekommen zu haben. Weil sie nicht direkt sagen wollen "weil mit ueber 50 der beste Teil des Lebens eh vorbei ist, also was soll's, viel versaeumen wirst du ja nicht mehr."

Wollen die mir wirklich verklickern, dass ich nicht darauf hoffen kann, aelter als 70 oder 80 zu werden?? Oder wo nehmen sie diese Zahlen 20 bis 30 Jahre so auffallend oft her???

Selber mache ich mir solche Gedanken ja immer. Auch schon lange vor der MS. Nicht selten habe ich schon gedacht, ich habe teilweise so ungesund gelebt, und stresse so viel, dass ich von Glueck sagen kann, wenn ich die 60 sehe. Aber wenn einem ein fruehes Ableben von Anderen suggeriert wird, und dazu noch Aerzten, also Fachleuten, dann ist das noch mal was ganz anderes. Es macht mir Angst. Ja, ja, ich weiss: Wir werden alle sterben, es gibt keine Garantien, ich kann heute von einem Bus ueberfahren werden, es kann jeden treffen, habe ich noch ein Klischee vergessen? Ach ja, dieses: "Also ICH lebe im HIER und HEUTE!" und saemtliche Varianten hiervon. Aber von all dem abgesehen, ist es trotzdem gruselig, dass ich mit 80 oder sogar 70 dem Sensenmann begegnen koennte, anstatt mit irgendwas an die 100, und dass das offenbar schon heute abzusehen ist. Weiss nicht, ob mich hier einer vesteht. Vergessen wir's.

Der Hausarzt vor zwei Tagen hat es fertiggebracht, das Resultat vom MRI des Genicks gefaxt zu bekommen, waehrend ich dort war. Damit ich nicht bis zum 19. April warten muss, wo ich die Spezialistin wieder sehe. Und es ist okay. Na ja, es sind MS Herde (danke Bri Blog fuer diesen deutschen Ausdruck fuer "lesions"!) dort. Wie erwartet. Sonst nichts. Er ging kurz raus, und liess das Papier auf dem Tisch liegen, und ich habe selber noch mal geguckt. Das medizinische Latein, soweit ich es interpretieren konnte, sagte wirklich genau das. Und dass die teilweise sich im Moment sogar zurueckbilden. Wahrscheinlich weil die Steroids (d?), mit denen die mich im KH 5 Tage lang vollgepumpt haben, noch wirken. Ich habe mich auch in letzter Zeit etwas besser gefuehlt. Und von leichter Skoliose im Genick stand da noch was. (Da trifft mich aber der Donner. Dass ich eine krumme Wirbelsaeule habe, weiss ich schon mein Leben lang, danke.)

Allerdings konnte er die Ergebnisse der Bluttests nicht bekommen. Er hat mir aber gesagt, dass es zwar theoretisch moeglich ist, dass bei so einem Lebertest "zufaellig" Krebs gefunden wird, aber die Wahrscheinlichkeit waere so eins zu tausend. "Das kommt vielleicht in einem von tausend Faellen vor", hat er mehrmals betont. Trotzdem werde ich keine Ruhe haben. Was ist, wenn solche Statistiken nur von Leuten ausgehen, die regelmaessig zu Vorsorgeuntersuchungen gehen, bei denen sich also gar nichts wirklich Schlimmes bilden KANN??? Erst recht nichts, was schon so weit fortgeschritten ist, dass es auf der Leber Metastasen aufzeigen wuerde??

Wie gesagt, ich spinne weiter vor mich hin, finde fuer jeden Trost ein "ja, aber", und werde keine Ruhe haben, bis das alles vorbei ist mit dieser Testerei und dieser Ungewissheit und diesem Kopfkino.

Ich will mich jetzt endlich darauf konzentrieren koennen, die MS in den Griff zu bekommen, ohne diese Randangst, die zwar nur mein Kopfkino ist, dadurch aber nicht besser wird.

Saturday, March 26, 2011

Zwischenmeldung

Mir wird zunehmend bewusst, dass dieser Blog wohl wirklich auf die Dauer einschlafen wird, denn... ich kann nicht mehr schreiben. Irgendwie habe ich meinen Ton verloren, ich bin tatsaechlich eine Andere geworden. Mein Biss, mein Galgenhumor, meine Boesartigkeit - weg. Und einen Blog von "vernunenftigen Berichten" kann ich weder mir noch meiner Leserschaft antun. Obwohl ich keinen Zweifel habe, dass manche auch diese Facette von mir mal gerne kennenlernen wuerden. (Einige kennen sie schon, durch privaten Kontakt im Hintergrund, aber das ist okay, das ist was anderes als Blogeintraege.)

Mir ist gestern aufgefallen, dass ich insgesamt (und hier kommt es, das gefuerchtete Wort)... GELASSENER geworden bin, geduldiger mit mir selber, und mit einem grossen Teil der Umwelt. Wenn ich tollpatschig bin, an Tuerkanten stosse, mit dem linken Fuss an etwas haengenbleibe und stolpere, nicht mehr joggen kann, bestimmte Schuhe nicht mehr anziehen kann, wenn mir abends die Knochen wehtun, u.v.A.m. - dann weiss ich jetzt, dass das MS Symptome sind, und irgendwie rege ich mich nicht darueber auf. Vor der Diagnose hatte ich solche Symptome ja schon einige Zeit, und dachte, es waeren Alterserscheinungen. DAMIT konnte ich aus irgendeinem Grund weniger umgehen, als mit dem Wissen, dass es in Wirklichkeit MS Erscheinungen sind. Ich wurde manchmal so wuetend wenn ich mal wieder was fallen liess, dass ich mich selber rechts und links geohrfeigt habe, mich eine verkalkte alte Schachtel geschimpft habe, was weiss ich. Alterserscheinungen geht aus irgendeinem Grund ueberhaupt nicht. Nicht mit Anfang 50. Mit 80 vielleicht. Eher 90. Heute lasse ich was fallen, und hebe es auf, verschwende keinen weiteren Gedanken daran. Keine Wut, keinen Frust. Denn ich weiss, ich leide nicht an Fruehverknoecherung, sondern an MS. Genau wie die 18-Jaehrige, die einen Tag lang im KH mit bei mir das Zimmer teilte (da fand schrecklich viel Umlegerei statt... "Im Krankenhaus ist einer umgelegt worden - von Zimmer 12 auf Zimmer 13" ^^ Schade, dass ich niemanden erklaeren konnte, was ich da so witzig fand, denn der deutsche Wortwitz hier geht ja nicht auf Englisch.) Kurz: Ich schaeme mich nicht mehr fuer diese Dinge, versuche nicht mehr krampfhaft, sie zu verbergen, denn ich und alle Welt weiss ja jetzt, was Sache ist. Irgendwie entspannt das ungemein.

Irgendwie lasse ich auch nicht zu, dass mich die Mitmenschen so nerven, wie vorher. Kleine Aergernisse, ueber die ich "frueher" Stunden spaeter ellenlange Blogeintraege geschrieben haette, halten nicht lange an. Seelenstress loest definitiv Symptome aus, und ich ziehe ganz klare Grenzen, wenn noetig. Ich habe keine Hemmungen, zu einer fetten Sau in der U-Bahn zu sagen: "Falls Sie nicht zwei Sitze bezahlt haben, dann habe ich ein Recht, auf diesem hier zu sitzen. Ich kann naemlich nicht lange stehen, ich bin behindert." Fettsau rueckt leicht schmollend, ich zwaenge mich auf den freigewordenen halben Sitz, und damit ist der Fall erledigt. Wenn Kollegin E. mir passiv-aggressiv um 5 vor 4 ein Papier hinlegt, sage ich freundlich "Okay, kein Problem, ich werde es morgen frueh als erstes machen. Jetzt gehe ich naemlich gleich." Dann gehe ich, vom Chef abgesegnet jetzt um 4. Ist auch seitdem nicht mehr vorgekommen. Und ich denke ueber solche Sachen hinterher nicht nach, geschweige denn habe das Beduerfnis, ellenlange sarkastische Blogeintraege darueber zu schreiben wie frueher.

Vor ein paar Tagen bin ich frueh morgens um halb sieben bei eiskaltem Schneeregen und Dunkelheit mit dem Taxi zu dem Termin mit dem MRI fuers Genick gefahren. Ich dachte kurz daran, dass das einen wunderbar bissig-witzigen niveauvollen Big Aeppel Eintrag hergeben wuerde: Fruehlingsfaehrtchen die 5th Ave. hinunter bei wunderbarem Fruehlingswetter. Vorbei an den ganzen Mansions und Townhouses, wo einige der reichsten Leute der Welt leben, und die dann am suedlichen Ende des Central Parks schlagartig den tollen Designergeschaeften weichen.... Diese Gegend ist ja ein Traum fuer jeden Big Aeppel-Touristen, egal ob lang-oder -kurzzeit. Dann dachte ich ans Radfahren, und wie ich das Guggenheim Museum immer vom Central Park aus sehe gegen Ende meiner ueblichen Schleife. Und ob ich jemals wieder nicht-wackelig genug bin, auf dem Rad mein Gleichgewicht zu halten. Und und und... Und irgendwie war der Biss weg. Hatte keine Lust mehr.

Nun ist das MRI gelaufen, und ich werde das Ergebnis erst beim naechsten Spezialistentermin Ende April bekommen. Ich hatte die gefragt, ob es denn auch aufgezeigt wuerde, wenn zufaellig noch was Anderes mit mir nicht stimmt, und die haben gesagt, sie konzentrieren sich nur aufs spinal cord (d????), blenden den Vorderhals mehr oder weniger aus, und es muesste schon was recht Auffaelliges sein, um da zu erscheinen. Das hat mich ein bisschen beruhigt. Die haben auch noch den allerobersten Teil vom Brustkasten/Schultern mit einbeschlossen. Ein ganz kleines bisschen weiter unten, und da waeren noch zum Teil die Titten draufgekommen! Die Moeglichkeiten, da "zufaellig" ueber weiss der Geier was zu stolpern, waeren damit ins Astronomische gestiegen. Ich darfs mir gar nicht ausmalen.

Ich glaube, um deutsche Fachausdruecke ueber MS zu finden, werde ich mal ein bisschen bei der Dame auf dem Bri Blog wuehlen gehen muessen irgendwann. Mal sehen, ob da zwischen Fraeuleins mit Spitzenkraegelchen und Scheissefeiern was Brauchbares zu finden ist. Die Dame scheint sowieso an einer besonderen Art von MS zu leiden, naemlich der sogenannten Bluemchen-MS. Die manifestiert sich darin, dass je groesser die Scheisse, umso positiver die Einstellung. Dort gehe ich sowieso nicht mehr oft hin, seit die sich vor Monaten als Zugehoerige zum Feind-Club entpuppt hat. Mit Hilfe von Frau Renate von und zu Ammersee-Blaes saemtliche Kommentare geloescht hat, die ich jemals dort abgegeben habe. Aber um herauszufinden, wie man Manches auf deutsch nennt, ist der Laden vielleicht brauchbar. Fuer den Fall, dass ich noch einen oder zwei Eintraege hier abgeben werde. Schreib-Entzug ist ja trotz allem schwierig.

Saturday, March 19, 2011

Keine Ueberschrift

Also ja. Theoretisch sehe ich ein, dass man mir das nicht unbedingt ansieht (zum Glueck!), dass mein oft leicht schwankender Gang mehr von mir selbst wahrgenommen wird, als von Fremden da draussen. Dass ich im Moment nicht Einkaufstueten schleppen koennte, sieht man mir auch nicht an, obwohl das schon laenger der Fall ist (O-Ton Supermarkt delivery guy an meiner Tuer vor ein paar Wochen: "Das sind aber nicht viele, warum wollten Sie Geld fuer Lieferung ausgeben, haetten Sie doch ohne weiteres selbst tragen koennen!" Zu einer, die alt, gebrechlich und krank aussieht, haette er das bestimmt nicht gesagt, und da hatte ich schon MS, wusste nur noch nicht, dass das der Grund fuer meine zunehmende koerperliche Unzulaenglichkeit war.)

Ja, es geht in milder Form schon lange, und nein, man sieht es mir nicht an, wenn man nicht eingeweiht ist. Vor allem, weil ich mich jetzt nicht einfach hinlege, sondern mein Leben so normal wie moeglich weiterleben will. Das braeuchte ich nicht, ich koennte auch auf disability (von jetzt an spare ich mir den Stress mit Uebersetzungen, wenn ich es nicht auf deutsch weiss) gehen, wo ich auf unbedfinierbare Zeit mein volles Gehalt bekaeme. Will ich aber im Moment nicht. Wer weiss, ob es spaeter mal noetig ist. Mein einfach Weitermachen wird mir zweifellos (es ist nur eine Frage der Zeit) als selbstlose, tapfere Heldentat ausgelegt werden, so wie alles, was ich je gemacht habe. Ich weiss nicht, was es an mir ist, das solche Reaktionen anzieht. Aber ich kann mir den Luxus nicht leisten, mich darueber aufzuregen. Wie ich vor ein paar Tagen zu jemand sagte: "Der Stolz ist das Erste, was sich verabschiedet." In Wirklichkeit arbeite ich natuerlich, weil ich Angst habe, wie der Krueppel zu leben, der ich jetzt bin (hier werden Sachen beim Namen genannt, nur so kann ich weiterschreiben. Ja, ich bin ein Semi-Krueppel, und koennte mit der Zeit ein voller Krueppel sein.) Ich arbeite also aus voll egoistischen Gruenden. Weil ich mich nicht wie ein Krueppel fuehlen will, sondern so fit bleiben will wie unter den Umstaenden moeglich. Fuer mich selbst. Ein Gefuehl von Normalitaet wahren, so lange es geht. Fuer mich, und nur fuer mich. Auch wenn mir das nicht abgenommen werden wird, und mein selbstloser Mut und Can-do Spirit bewundert werden wird. Aber sobald ich daran denke, faengt es in meinen Knien an zu ziehen (eben jetzt). Seelenstress soll der schlimmste Ausloeser von MS Symptomen sein. Das glaube ich auf der Stelle.

Chef hat waehrend meiner Abwesenheit organisiert, dass wir einen Zeitarbeiter bekommen, der vieles uebernehmen wird, was den Stress in letzter Zeit so severe gemacht hat, dass wohl die MS dadurch voll aktiv geworden ist zum ersten Mal. Ich bin nicht der Gaensebluemchentyp, aber mein erster Gedanke, als die zu mir sagten "Sie haben Multiple Sklerose" war (spaeter, nachdem die Aerzte aus dem Zimmer waren, Fragen beantwortet waren, und ich nachdenken konnte) war "This could be a blessing in disguise. Ich werde jetzt gezwungen werden, kuerzer zu treten, und mein Umfeld wird gezwungen werden, darauf Ruecksicht zu nehmen. Das koennte man fast als GELEGENHEIT sehen!" Okay, gag me with a spoon, aber ich weiss nicht, wie ich's anders ausdruecken soll. Dass Frau Z. und ich Hilfe brauchen mit der ganzen extra Arbeit und all dem Scheiss in der letzten Zeit, diesen Alarm schlage ich schon lange, wurde aber nicht erhoert. Jetzt auf einmal... siehe da. Manche tun so, als haette ich einen Nervenzusammenbruch gehabt, und auf gewisse Weise stimmt das wohl auch (die Nerven liegen im wahrsten Sinne des Wortes blank, weil sich die schuetzenden myelin sheath zersetzen), und das ist mir gar nicht mal unangenehm, dass sie anerkennen, dass der Saftladen Stress der letzten Zeit Ausloeser war. Wenn nur jede einzelne (E., G., Frau Z.) ihren Anteil daran erkennen und sich entsprechend schuldig fuehlen wuerde.... ja, ich glaube, das findet statt, auch wenn sie es nie laut zugeben wuerden, aber die Vibes stimmen. Koennen die also ruhig wissen/denken, ist mir recht. Nervenzusammenbruch, Krebs, whatever. Von MS verstehen halt Viele nicht viel, dafuer werde ich mit netten Krebs-Erfahrungsberichten unterhalten, ist ja fast dasselbe, und da sind die Schachteln in ihrem Metier. Ich habe mir halt eine Krankheit eingefangen, die absolut nichts mit "dem Aelterwerden" zu tun hat, trotzdem werde ich mit offenen Armen in den Club aufgenommen. Na gut. Wie gesagt, das hatte ich erwartet. Sie handeln halt so, wie es fuer sie normal ist. Ist leichter, als anzuerkennen, dass die hsm sogar in Krankheit nicht "altersgerecht" handelt. Wenn's die gluecklich macht, bitte schoen. Ich habe andere Sorgen.

Meine Arbeitsstunden habe ich leicht abgeaendert, um sie mit meinem inneren Rhytmus in Einklang zu bringen. Morgens (wo ich die meiste Energie habe, auch pre-MS schon) frueher hin, nachmittags (wo ich immer halb tot bin, meine schlimmste Tageszeit) frueher weg. Absolut keine Ueberstunden. Das Verstaendnis fuer all solche Sachenn ist sehr gross. Gute Firma habe ich mir ausgesucht anno dunnemal 1998. Im Ernst. Fast europaeische Arbeitsverhaeltnisse. Und wenn ich dran denke, wie nah ich in letzter Zeit drangekommen war, all das zu schmeissen... Die Sachen, auf die es wirklich ankommt, sind in Ordnung, was kuemmern da noch die bloeden Weiberzickereien. Wegen solchen schmeisst man nicht sein Leben in den Muell. (Interessant, wie sich die Prioritaeten verschieben.)

Die Spezialistin, die ich diese Woche zum ersten Mal sah, hat ja jetzt noch ein MRI des Genickes angeordnet, um festzustellen, ob dort auch MS lesions sind (Termin ist kommenden Mittwoch). Das selbe hatten sie ja auch mit dem Hirn gemacht. Da wird der entsprechende Koerperteil optisch-magnetisch in Milimeter-duenne "Scheiben" geschnitten ("Stellen Sie die Wurstmaschine sofort wieder ein!" Ha, ha, whaddayaknow, ich kann noch lachen.^^) Und man erkennt also JEDES Detail, was da ist. Was mich durchdrehen laesst, ist, dass man dann zwangslaeufig auch Kehlkopf und den ganzen Vorderhals sehen wird. Und dass dann kommt "Sie, DAS hier sollten Sie mal abklaeren lassen!" Und mein Leben ist vorbei. Ich mit meiner Raucherei. Wenn ich mir damit was angetan habe, wird es SO gefunden werden. Andere Tests (alle dazu da, ob ich die geplante Behandlung vertragen kann) sind no big deal, bis auf einen: Ein Bluttest der Leber. Weil das Zeug fuer die MS, welches sie mir einmal im Monat am Tropf verabreichen werden, die Leber angreifen kann. Es ist also hauptsaechlich eine Vertraeglichkeitsueberpruefung, nichts weiter. Nun freakt mich das trotzdem aus, denn es wird IMMER auf diese Art Krebs gefunden bei den Leuten: Lebermetastasen werden im Bluttest der Leber "zufaellig" entdeckt. Auch wenn der urspruengliche Grund fuer den Test wie in meinem Fall ein vollkommen anderer ist. Wenn da was waere, wuerden sie es trotzdem finden. Und dann ist alles vorbei. Mit dieser Angst muss ich jetzt noch einen Monat leben. So lange wird es dauern, bis alles sich einpendelt. Wenn ich Leuten diese Krebsspinnereien im "Was ist, wenn..."- Stil darlege, kommt immer so was in der Art von "Dann haendelst du es. Das kannst du. Du wirst damit umgehen. One day at a time". Solches "gute Zureden" schuert meine Panik aber erst recht. Denn das heisst fuer mich, die halten es tatsaechlich fuer moeglich, dass MIR das passieren koennte, anstatt es mir auszureden. Ich glaube nicht, dass mir das passieren koennte. Erst mal haetten die das schon auf dem Hirn MRI entdeckt, denn Metastasen gehen ja aus irgendeinem Grund IMMER erstens an die Leber, und zweitens an DAS HIRN! So heoert man das jedenfalls immer. Und im Hirn war nichts entsprechendes. Und auch die Leber wurde ja im KH auch schon getestet, allerdings genau wofuer, weiss ich nicht, das war noch bevor die Diagnose endgueltig war. Wenn da was gewesen waere, haetten sie es auf jeden Fall doch DANN schon gefunden, oder nein??? Aber redet mir jemand die Spinnereien aus???? Ich muss mich selber davon ueberzeugen, dass es Spinnereien sind. Die Leute gehen gerne mal in ihren "auch du bist nicht immun" Modus. Recht gemein, das. Was ich braeuchte, ist jemand, der da ein bisschen technisches Know-how hat, und mir ueberzeugend sagen koennte "So Sachen wuerden in diesen Tests gar nicht zu sehen sein, selbst wenn es sie gaebe." So jemand gibt es aber nicht in meinem Leben. Also muss ich es mit meiner eigenen Logik versuchen. Wie immer. Letzten Endes ist man sich selber der Naechste.

Friday, March 18, 2011

Meine Situation und " die Leute"

Jaja, ich wollte nicht mehr schreiben, und werde es auch auf die Dauer nicht tun, aber es faellt mir schwer, mir das hier abzugewoehnen, so sue me.

Am Anfang habe ich geschrieben, ich habe keine Wut, und das stimmte auch, aber vlt. war ich einfach taub, dumpf, denn sie stellt sich jetzt seit ein paar Tagen ein, oh boy, stellt sie sich ein.

Mich kotzt es an, wie man immer um die Leute herum-tiptoen muss, so als ginge es um SIE, und nicht um mich. Ich sage mir (und anderen) gerne von Anfang an schon, na gut, es ist was, was man in den Griff bekommen kann, es ist ja nicht so, als waere es Krebs oder so was, oder ueberhaupt was, wofuer man dann Operationen usw. braeuchte. Und es bringt einen auch eher nicht um, sondern ist chronisch, man kann damit Lebensqualitaet haben. In diesem Sinne habe ich dann noch mal Glueck im Unglueck gehabt, nein?JA? Nein ICH sehe es jedenfalls so! Und dann ernte ich betretene Blicke oder betretenes Schweigen, weil die Betroffenen es eben schon mal mit Krebs und so wirklich schlimmen Sachen zu tun hatten, und sich ihre Freude fuer mich sich daher in Grenzen haelt, sie von meinen selbstaufmunterenden Worten persoenlich beleidigt sind.

WTF?????

Da muss man jedes Wort auf die Goldwaage legen, nat. sind nicht alle so, aber man weiss nie, wann man an einen geraet. Und ich bin jetzt way, waaaaaaaay beyond behutsamer Herumfuehlerei, ob sich jemand von meinem Problem belaesgigt fuehlen koennte. Die koennen mich doch mal mit ihren mimosigen Befindlichkeitchen, hallo!

Und dann gibts noch die Kandidaten, die einfach da draussen herumkicken, die gar nicht merken, ob man nicht gescheit laufen kann, und huepfen und springen, und so tun, als waere die Welt normal. Denen moechte ich manchmal den Schaedel in den Asphalt treten, ich glaube dazu haette ich noch die Kraft. Ich weiss nicht, ob ich jemals wieder normal laufen kann, im Moment geht es, aber es ist schwer. Ich bin auch dankbar, dass ich wieder gescheit sehen kann, aber Wirbel um mich herum erschoepft mich, sobald ich Ruhe habe fuehle ich mich ganz normal als haette ich kein MS fast. Und gestern in der Kantine hatten sie so ein Karaoke Dings fuer St. Patricks Day, und da war Gesang, Geklatsche, Getrampel, Gekreische, ach was ist das Leben toll wir koennen gar nicht an uns halten vor lauter Lebensfreude, gruener Glitter, grelles Licht, kuenstlicher "Frohsinn". Das hat mich so fertig gemacht, dass ich auf dem Weg zum Aufzug fast mein Essen habe fallen lassen, immer an der Wand lang. Ich war dann den ganzen Nachmittag nicht mehr "richtig", Konzentration beim Teufel und die Schultern und das Genick taten mir weh (obwohl es in meiner Abteilung an sich durch den Umzug ueberraschend angenehm und Nervensaegen-frei ist, ich gehe sogar gerne hin diesertage), bis ich endlich daheim zur Ruhe kam. Was bilden die sich eigentlich alle ein. Arschloecher.

Thursday, March 10, 2011

Voll spastisch

Ich weiss nicht, ob ich das ueberhaupt schreiben soll, aber ich will diesen Blog nicht sang-und klanglos verlassen, und luegen will ich auch nicht.

Also, ich kann hier nicht mehr weitermachen. Vor weniger als einer Woche wurde ich mit MS diagnostiziert. Die Details erspare ich mir, aber ich kann mir jetzt einiges erklaeren, was sich schon laenger nicht richtig anfuehlte, obwohl ich es immer erfolgreich vertuscht habe. (Bei viel Laufen fuehlt sich das eine Bein immer wie gelaehmt an, wtf??? Unkoordiniert ganz leicht schon laenger, habe es auf meine Wirbelsaeule geschoben. Komisches Augenflimmern, doppelt sehen, im Moment Hauptsymptom.) Am WE kam dann so eine Art koerperlicher Zusammenbruch, in zwei Teilen. Freitag und Sonntag dann ernst.

Also das nur zur kurzen, detaillosen Erklaerung. Die sagen, dass es etwas ungewoehnlich ist fuer mein Alter, dass das meist viel Juengere bekommen. Aber als sie sich noch nicht sicher waren, sagten sie 'na ja, sie ist sehr jung fuer 51, fit, koennte schon sein'. Also dieses Tidbit laesst mich mein Stolz mir trotz der Supergau nicht verkneifen. Das kam jetzt von Aerzten, die medizinisch und unuebertuenscht sehen, wie alt ein Koerper scheint, und dann auch noch in voll beschissenem Zustand. Sogar mit Krankheit trotze ich den alten Schachteln, indem ich eine 'junge' Krankheit bekomme, und keine von deren Altschachtelkrankheiten, ha-ha, wo waere ich ohne Galgenhumor, wohl schon linkslehnend aus dem Fenster gesprungen, und die High School Schueler schockiert, deren Schule da gegenueber von diesem KH ist.

Ich werde nicht mehr hier ueber meine ueblichen Themen schreiben koennen, nicht unbefangen. Ich werde mich auf meine Lebensqualitaet konzentrieren muessen. Und so kann ich nicht schreiben. Wie denn? Humorig-positiv? Passt nicht zu mir. Wuetend? Nein, so fuehle ich mich eigentlich nicht. Geschmackvoller 'Krankheitsblog'? Aber hallo! Ich bin immer noch die hsm, pardon mshsm jetzt. Nein, das passt alles nicht mehr hier her. Dieser Blog ist dazu da, ueber Frau Z. zu meckern, und ueber den Big Aeppel. Dieser Blog ist dazu da, mich ueber Leute und Dinge lustig zu machen. Dieser Blog ist dazu da, ueber den Saftladen zu keifen. Dieser Blog ist NICHT dazu da, tapfere Krankheitsberichte in die Tasten zu hauen. Ich habe noch Glueck gehabt. Mit MS kann man eine gute Lebensqualitaet ueber Jahre erhalten, Krebs oder so was waere schlimmer gewesen. Und wenn man bedenkt, dass die sogar an einen Hirntumor dachten, wurde abgeklaert. Meine erste Sorge war, ob man da irgendwann den Verstand verliert, aber das tut man nicht, das ist mir im Moment am wichtigsten, auch dass man davon nicht zwingend frueher stirbt. Und ja, ich habe Unterstuetzung. Jede Menge. So long. Ich schaffe es, ich will nur nicht darueber schreiben. Und wenn ich es nicht schaffe, erst recht nicht.