Friday, December 17, 2010

Chef, intellektuell

Heute abend musste ich mich entscheiden, ob ich noch mal bis 8 Uhr im Buero bleiben sollte. Wohlgemerkt, uns wird das nicht offiziell vorgeschrieben, sondern wir entscheiden selbst, ob wir die extra Zeit brauchen, um alles zu schaffen, oder nicht.

So gegen 5 denke ich, o.k., ich werde heute wohl "frueh" gehen, aber fuer den Fall eines Falles hole ich mir doch lieber diesen Zettel beim Chef. Den Zettel fuer den Chauffeur-Service, der uns armen Sklaven ab 8 Uhr abends zusteht.

Ich stehe im Tuerrahmen von Chefs Eckzimmer. Das Empire State Building laechelt mich durch die Rundum-Fenster in voller Weihnachtsaufmachung rot und gruen um die Spitze herum freundlich an. Es ist naemlich schon voll dunkel draussen. Chef ist am Telefon. Aha. Wichtige geschaeftliche Besprechung? Chef (den ich von diesem Blickwinkel nur von hinten sehe, und der sich meiner Anwesenheit sowas von nicht bewusst ist) ganz aufgeregt ins Telefon: "Vergleiche ihn doch nicht mit Beethoven! Du musst ihn einfach fuer sich selber geniessen. Du darfst ihn nicht mit Beethoven vergleichen! Ziehe keine Vergleiche mit Beethoven, sonst kannst du ihn nicht geniessen!"

Ich brauche immer noch den Zettel fuer den Chauffeur Service. Ich warte respektvoll und unbemerkt im Tuerrahmen. Lange kann es ja nicht mehr dauern bis er auflegt.

Leider doch. Auf einmal geht es um ein Buch, ein Schauspiel, oder einen Film. Habe mir den Namen leider nicht gemerkt.

Chef ins Telefon, vollstens animiert jetzt: "Und... meinst du, es geht darum, dass der Protagonist jetzt 40 ist, und auf sein Leben zurueckblickt? Kann DAS die Message sein, die uns hier heruebergebracht wird?"

Ich gucke von hinten auf seine Glatze, auf seine animierten Armbewegungen, als er sich gemuetlich und selbstgefaellig zuruecklehnt, und frage mich mal wieder, auf welchem Planeten ich gelandet bin. Und sage mir irgendwann: Scheiss drauf. Scheiss auf Beethoven, scheiss auf den 40-jaehrigen Protagonisten von ...Irgendwas. Ich habe noch ein bisschen Arbeit zu erledigen, und offenbar gehoere ich zu den Wenigen hier, die sich darum einen Scheissdreck scheren. Scheiss auf den Chauffeur. Ich werde um halb 6 gehen. Die Wuerfel sind gefallen. Ich blicke naemlich auch gerade auf mein Leben zurueck, und das kann's wohl nicht sein. Waehrend Chef noch hochgeistige Kultur diskutiert, wende ich mich zum Gehen. Das ist mir doch zu bloed.

An meinem Schreibtisch angelangt, erledige ich schnell ein paar letzte Schliffe fuer die Firmenfinanzen fuer 2010. Auf einmal rennt Chef selbstgefaellig im Mantel an mir vorbei, gen Richtung Aufzug, und wuenscht ein gutes Wochenende. (Auch so eine Art Baskenmuetze hat er auf, aber Baskenmuetzen habe ich diese Woche schon in einen anderen Zusammenhang erwaehnt, und ich will's nicht uebertreiben.)

Ich gehe um halb 6. Und hoere in der U-Bahn ein bisschen Beethoven auf meinem I-Pod.

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